Russisch
...stellt sich vor
Warum haben Sie sich entschieden, Fremdsprachendozentin zu werden?
Als Schülerin in Russland, habe ich Deutsch gelernt. Dabei hat mich begeistert, dass uns unsere Deutschlehrerin nicht nur das sprachspezifische Wissen, sondern auch die Besonderheiten der deutschen Kultur, Mentalität, Geschichte und der Traditionen vermittelt hat. Da war mein Interesse für eine fremde Kultur und generell für Deutschland geweckt und dies hat den ersten Baustein für meine spätere Berufswahl gelegt. Ein weiterer wichtiger Beweggrund, Fremdsprachendozentin zu werden, ist die Freude, die es mir bereitet, die Lernfortschritte der Studierenden zu beobachten, und festzustellen, wie motivierend es für sie ist, wenn sie sich in der kyrillischen Schrift und in der schwierigen russischen Sprache verständigen können. Außerdem ist es immer faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich einige Begriffe, wie z.B. die berühmte „russische Seele“ interpretiert und verstanden werden.
Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile des Erlernens der russischen Sprache?
Russisch ist eine der meistgesprochenen Sprachen weltweit (etwa 150 Millionen als Muttersprache und etwa 100 Millionen als Zweitsprache) und am häufigsten verwendeten Sprachen im Internet. Sie gehört zu den sechs offiziellen Arbeitssprachen der UNO und gilt als Verkehrssprache im postsowjetischen Raum (Baltikum, Osteuropa, Kaukasus, Zentralasien) und als bedeutende Wissenschafts- und Kultursprache der Welt. Laut der UNESCO beträgt der russische Anteil an der Weltproduktion von Druckerzeugnissen 25%. Viele Bücher u.a. in den Bereichen Technik und Wissenschaften werden nicht ins Englische übersetzt. Die Kenntnisse der russischen Sprache ermöglichen auch, die zahlreichen russischen Werke der Kunst und Literatur, wie z. B. Poesie von Puschkin, die Theaterstücke von Tschechov, die Romane von Tolstoi und Dostojevski oder die Filme von Tarkovsky, aber auch die russische Malerei, Musik und Ballett neu für sich zu entdecken. Durch das Erlernen der russischen Sprache kann man die slavische Welt mit ihren verschiedenen Kulturen kennenlernen. Ein Drittel der europäischen Bevölkerung ist slavisch. Und nicht zu vergessen, dass man sich mit Kenntnissen dieser nicht gerade einfachen Sprache auch auf dem Arbeitsmarkt profilieren kann.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die Gründe oder Motive Ihrer Studierenden, Russisch zu lernen?
Viele Studierende sind an in russischer Sprache verfassten Texten, literarischen und wissenschaftlichen Werken interessiert. Die Kenntnisse der russischen Sprache ermöglichen ihnen eigenen Einblick in das politische, gesellschaftliche Leben Russlands sowie eine eigene Interpretation der berühmten russischen Klassiker. Aber auch der romantisch-melancholische Klang der ostslavischen Lieder fasziniert sie. Außerdem wird von den Studierenden, die eine naturwissenschaftliche Kariere u. a. in den Bereichen der theoretischen Physik oder Astronomie anstreben, die russische Sprache als erforderlich angesehen. Russisch ist eine wichtige Verkehrs– und Konferenzsprache in internationalen Kommunikationssystemen, wie z. B. Flugverkehr, Weltraumkommunikation. Ein ebenfalls häufig genannter Grund ist die Kommunikation mit den russischsprachigen Freunden und Verwandten. Eine große Zahl meiner Studierenden sind Herkunftssprecher, die die Muttersprache ihrer Eltern von Grund auf erlernen möchten. Und natürlich bleibt die Hoffnung, Russland als Reiseziel wieder zu entdecken.
Sind Sie der Meinung, dass kulturelle Aspekte in den Sprachunterricht integriert werden sollten und welche davon finden Sie besonders interessant?
Sprache ist für mich nicht nur Stilistik, Syntax, Morphologie oder Phonetik, sondern, wie schon gesagt, „Spiegel der Kultur“. Sie ist ein Kommunikationsinstrument, mit dessen Hilfe wir auch unsere kulturellen Werte vermitteln. Von daher sollten die kulturellen Aspekte und vor allem das Vermitteln der interkulturellen Kompetenzen ein obligatorischer Bestandteil des Sprachunterrichts sein. Besonders interessant finde ich beispielsweise Lieder, Brauchtum, Sprichwörter bzw. geflügelte Wörter, literarische Werke und Filme. Die Bedeutsamkeit der interkulturellen Kompetenz zeigt sich bereits in der Besonderheit bei Namen und Anredeformen im Ostslavischen. Der Name besteht aus drei Teilen: Familienname, Vorname, Nachname, z. B.: Rodion Romanovitsch Raskolnikov. Als formelle Anrede verwendet man den Vor – und den Vatersnamen, z. B: Rodion Romanovitsch. Es wird auch zwischen formellen und informellen (Kosenamen) Vornamen unterschieden, wie z. B. Ekaterina (formell) und Katja (informell).
Welcher Ausdruck ist im Russischen einzigartig und kann nicht übersetzt werden?
Es gibt natürlich viele Ausdrücke, die ich einzigartig finde und die man nur sinngemäß übersetzen kann. Einer ist das Substantiv „Молодец!“ (molodets). Je nach Betonung kann es ein Prachtkerl einer altrussischen Sage sein oder so viel wie „Gut gemacht! Tolle Leistung!“ bedeuten.
Die bekannten Ausdrücke „На здоровье!“ [na sdarówje] (dt. Wohl bekomm´s! Guten Appetit!) und „За здоровье!“ [za sdarówje] (dt. Prost! Zum Wohl!) werden oft verwechselt. Mit „На здоровье!“ [na sdarówje] antwortet man in Russland, wenn sich jemand für das Essen oder Trinken bedankt, und „За здоровье!“ [za sdarówje] ist ein russischer Trinkspruch.
Neben der russischen Literatursprache gibt es eine große Vielfallt an Schimpfwörtern, die weitgehend tabuisiert, aber heutzutage unter dem Begriff „Russischer Mat“ wissenschaftlich untersucht werden.
Welches ist Ihr Lieblingswort?
Je nach Kontext und Situation kann fast jedes Wort zu meinem Lieblingswort werden, wie z. B. „достопримечательность“ [dastaprimetschatel`nast`] (dt. Sehenswürdigkeit). Aus mir unerklärlichen Gründen bleibt das lange Wort bei vielen meinen Studenten, aber auch bei älteren Menschen, die vor vielen Jahren Russisch gelernt haben und heute kaum noch Sprachkenntnisse haben, im Gedächtnis. Vielleicht assoziiert man es mit Erholung, glücklichen Momenten, neuen Erkenntnissen oder schönen Urlaubserinnerungen. Vielleicht wird das Wort auch als eine Herausforderung gesehen.